Als ich anfing zu improvisieren, hörte ich meistens nur: “Trau dich nur, probier’s aus, einfach machen”. Da ich aber eher ein strukturierter Mensch bin, frustrierten mich diese Aussagen mehr als zu helfen. inzwischen weiß ich, dass diese Bemerkungen motivieren sollten, um loszulassen, und dass man ohne Fehler nicht Neues schaffen kann. Dennoch habe ich mir in den letzten 10 Jahren verschiedene Ansätze angeeigenet, damit ich in einer Improvisation dann auch wirklich loslassen kann und mich ganz dem kreativen Moment hingeben kann. Vorsicht aber: Der Lernprozess dauert ein ganzes Leben an und ist nie wirklich abgeschlossen..
Improvisieren hat aber verschiedene herausfordernde Komponenten:
- aufeinander hören und miteinander spontan musikalisch kommunizieren
- Text und Melodie des gespielten Songs in und auswenig kennen, um sich fallen lassen zu können
- einen “Improvisationsvokabelschatz” draufhaben, damit man bei “blackouts” trotzdem noch weiter singen kann
Wie ich diese zuletzt genannte Grundlage aufbauen kann, möchte ich Dir mit den folgenden Tipps nahebringen.
Tip 1 bis 5: Den Song kennen lernen
- Hör Dir erfahrene Sänger und Instrumentalisten an und lass Dich zu einem Song inspirieren
- Nimm Dir einen Song vor (z.B. aus dem Realbook) Such Dir einen aus, der Dir persönlich gefällt, dessen Text Du inhaltlich verstehst und mit dem Du leicht eine emotionale Verbindung aufnehmen kannst. Geh nach Deinen eigenen Interessen und nicht danach, welche Songs man können sollte.
- Transponiere den Song schriftlich in eine neue Tonart, die zu Deinem jetzigen Stimmumfang passt und bequem liegt, also nicht zu tief und nicht zu hoch. Um später den Song mal auf einer Jamsession singen zu können, entscheide Dich nicht für eine Tonart mit vielen Vorzeichen. Die Begleit- Musiker werden Dir dankbar sein!
- Lerne die Melodie und den Text sicher auswendig. Versteh die Geschichte des Textes. Finde Deine eigene Geschichte wieder
Tip 5- 8: Das harmonische Gerüst verstehen lernen
- Analysiere die Akkorde nach Stufen. Wo sind Ii-V-I Verbindungen, in welche Tonart wird gegangen etc.
- Singe die Grundtöne der Akkorde am Klavier
- Singe die alle Akkordtöne am Klavier
- Singe Tonleitern der Akkorde oder Skalen am Klavier. Geh von tief bis hoch
Tip 9-13: Das Gelernte mit Playback singen lernen
- Finde ein gutes Playback entweder auf iTunes, Youtube, von Aebersold oder von anderen einschlägigen Playback Büchern. Versuche nun erst einmal, die Melodie in dem groove und Tempos des Playbacks gut und sicher zu singen. Nimm Dich dabei auf. Wenn Du die Aufnahme hörst, achte auf Deine Intonation, Deinen Rhythmus, ob Du groovst, Deine Aussprache, Deinen Sound..
- Singe die Grundtöne zum Playback
- Singe die Akkordtöne zum Playback
- Verändere die Töne der Melodie. Benutze dazu die Töne der Grund- und Akkordtöne.
- Versuch alle drei Elemente auf Unsinn- silben (wie doo, wa, bwi, ba etc) zu vereinen. Nimm Dich dabei auf. Analysiere die Aufnahme. was gelingt mir. was nicht? Versuche, den Rhythmus nicht zu kompliziert zu gestalten, sondern melodisch zu denken.
Tip 14-20: Einfach immer weiter lernen
- Hör Dir Aufnahmen von anderen Instrumentalisten und Sängern an. Versuche ihre Improvisation mit zu singen und zu imitieren.
- Übertrage die Dinge, die Dir gefallen, in Deine eigene Improvisation. Nimm Dich auf. Höre an, ob Du sie genau so singen kannst, wie Du es wolltest.
- Nimm Dir schon geschriebene licks vor (Aerbersold etc) und übe sie, bis Du diese auswendig kannst. So schaffst Du dir ein Repertoire drauf, damit Dir neue ideen zukommen bei der Improvisation
- Transkribiere Soli von Chet Baker oder einem anderen Künstler, der nicht zu schnell spielt und schöne Phrasen spielt.
- Spiel mit anderen Musikern.
- Hör Dir CD Aufnahmen an.
- Such Dir einen anderen Song aus und fange von vorne an, um ein gutes Repertoire aufzubauen!
Hier sind noch ein paar super Bücher, die noch tiefer in meine Tipps einsteigen. Ich selber habe lange Jahre (und bin immer noch dabei) mit diesen unterlagen gearbeitet und sie haben mir viele Hilfen gegeben:
Bob Stoloff gibt in seinem Buch “Scat” ganz viele Übungsstücke (mit Playback), damit sich jeder Sänger ein Repertoire an Scatsilben und Phrasen aneignen kann. Und es macht auch noch Spass!
Wenn man noch nicht so viel Wissen in der Musiktheorie hat, kann ich folgendes Buch empfehlen:
Jeder, der noch weiter in die Jazzharmonielehre einsteigen möchte, muss sich eigentlich folgendes Werk als Standard anschaffen: Wer auf der Suche nach professionellen Playbacks ist, kann einmal auf iTunes findig werden oder sich an die rAebersold Reihe wenden. Hier ein Beispiel Exemplar, um Turnaround zu lernen:
Mit welchen Büchern arbeitest Du? Wie hast Du improvisieren gelernt oder bringst es anderen bei?
Ich freue mich, von anderen SängerInnen und Vocalcoaches und deren Erfahrungen zu hören, damit wir alle davon profitieren können.