Meine 6-jährige Tochter Philippa und ich haben uns vorgenommen, das Gedicht “Henriette Bimmelbahn” (Partnerlink) von James Krüss auswendig zu lernen. (Übrigens: Die Texte von James Krüss eignen sich hervorragend für das Training für eine klare Aussprache!) Dies wird eine absolute Herausforderung für mich, denn obwohl ich ein erstklassiges Kurzzeitgedächtnis habe (Deutsches Schulsystem sei Dank), so fällt es mir doch umso schwerer, auswendig gelerntes (auch Lieder mit mehreren Strophen) dauerhaft zu behalten. Bei Auftritten habe ich immer vorsichtshalber eine Mappe mit Texten auf dem Notenständer vor mir, weil ich Angst vor Texthängern habe. Und dabei sind Texte auswendig lernen ein großer Teil davon, ein Lied gut vortragen zu können.
JEDER Sänger muss seinen Text können- und zwar richtig!
Richtig heißt, dass Du in einem Satz sagen können musst, worum es in dem Text geht. Es muss automatisch gehen, also ein Teil des Gewohnheitsrhythmus geworden sein.
In klassischen Chören ist es nicht unüblich, eine Mappe mit Noten in der Hand zu haben, damit man sich an alles erinnern und dem Notentext folgen kann. Klar, wenn man eine 3stündige Matthäuspassion singt, kann man nicht jeden Einsatz und Textpassage im Kopf haben. Aber hast Du auch schon bei professionellen Chorsängern gesehen, dass sie eigentlich trotz Mappe fast die ganze Zeit auf den Dirigenten achten? Das kommt, weil die Noten in diesen Mappen nur Erinnerungsstützen sein sollen für das, was schon auswendig gelernt wurde. Denn jeder Sänger trägt wesentlich zum Erfolg eines Chores bei. Wenn einer dieser ausgebildeten Sänger zum falschen Zeitpunkt einsetzen würden, würde sie jeder im Publikum hören. Es ist zu ihrer Gewohnheit geworden, die Musik zu sehr gut zu kennen und gleichzeitig die Noten benutzen zu können.
5 Tipps zum Auswendiglernen von Liedtexten:
- Wiederholen, wiederholen wiederholen! Es gibt eine Technik, wo Du 10 Mal hintereinander einen Satz erst laut liest und dann 10 Mal wiederholst. Und dann das Gleiche mit dem Satz danach machst u.s.w. Diese Technik eignet sich meist für komplizierte Texte.
- Nicht immer von vorne nach hinten anfangen, sondern auch mal in der Mitte oder am Ende starten. Ist Dir einmal aufgefallen, dass man meistens nicht die zweiten Songs von Liedern aus dem Radio kennt, sondern man nur die erste und den Refrain mitsingen kann. Deshalb ist es wichtig, auch von der Mitte aus an zu üben. Längere Texte können auch ganz von hinten aufgebaut werden, indem Du mit dem letzten Satz anfängst und Dich bis nach vorne nach und nach durchschlägst.
- Rechtzeitig anfangen. Manchmal geht es nicht anders, aber häufig weißt Du schon länger, welche die Lieder gesungen werden. Also, nicht auf den letzten Drücker anfangen.
- Den Ablauf des “Films” vor Augen haben. Stell Dir bildlich die Situationen vor, von denen in dem Lied gesprochen werden. D.h. natürlich auch, dass Du erst einmal verstehen musst, worum es in dem Lied geht (siehe Blog über “Textinterpretation”). Selbst Songs, die kryptisch in der Wortwahl sind, haben eine Logik, die Du als Sänger verstehen kannst und solltest. Dies hilft enorm, die Wortwahl zu erinnern.
- Meditiere in Deinen Gedanken über den Text. Nicht nur lautes Singen oder den Text vor sich hin sprechen hilft, Songtexte zu lernen, sondern auch das in Gedanken vor sich hin meditieren kann aufzeigen, wo noch Textlücken sind. Wenn Du also in den Gedanken das Lied singst und an bestimmten Stellen Dir unsicher bist, wird es ähnlich sein, wenn Du das Lied laut singst. Bonus: Je tiefer Du in die Texte in Dir dran hast, desto besser kannst Du emotional in den Song einsteigen.
Trau Dich, ohne Spickzettel zu singen und so vielleicht auch Fehler zu machen, aber gleichzeitig wirst Du auch merken, wie viel mehr Kontakt Du zu Deinen Zuhörern bekommst.