In unserer letzten Masterclass im November hatte die Teilnehmerin Aurelia eine super Idee: Um die Scheu zu verlieren, falsche Töne zu singen, könnten wir doch einfach so schlecht singen wie möglich! Was dann folgte, war das absolute Highlight:

Wir haben alle so gelacht, bis die Bauchkrämpfe kamen.

Aber für eine Sängerin war es auch das Schwierigste am gesamten Workshop. Das, was so einfach klingt: “Jetzt sing doch mal schief.” bedeutet in Wirklichkeit, alles loszulassen und sich zum Affen zu machen. Ein absolutes Risiko einzugehen, dass die anderen mich dann immer noch als Sängerin ernst nehmen.

Zum Glück machten wir diese Übung am 2. Tag, so dass allen klar war, dass jeder der 10 Teilnehmerinnen nicht in Wirklichkeit immer so klangen.

Doch war es das Interessante, dass die Sängerinnen, die zu der Zeit am Besten singen konnten, es am Schwersten hatten, sich in die Übung fallen zu lassen.

Auch weil Ihr Selbstbewusstsein am Gesang gefesselt war.

Die Jazzsängerin Julie Silvera sagte dazu in einem Workshop:

Es gibt Sänger, deren Fähigkeiten gut ausgebildet sind, aber deren Selbstbewusstsein unten ist. Und es gibt Sänger, deren Selbstbewusstsein gut entwickelt ist, aber nicht deren Fähigkeiten. Beides ist nicht gut. Wir müssen daran arbeiten, an beiden Aspekten zu arbeiten, damit wir unsere Zuhörer besser erreichen können.

Jedes Mal, wenn wir auf die Bühne gehen im Großen oder Kleinen müssen wir die Chance in Kauf nehmen, uns zum Affen zu machen. Denn nur so können wir das beste von uns geben.

Worum geht’s in diesem Podcast?

Deshalb möchte ich heute Dir von der Sängerin Florence Foster Jenkins erzählen.

Seit ich ihre Geschichte auf NPR Snap Judgement gehört habe, lässt sie mich nicht mehr los.

Vielleicht weil sie die essentielle Angst von Künstlern, und auch von mir, so anspricht.

Über Miss Jenkins’ Leben wurden ein Broadwaymusical, Theaterstücke und Bücher verfasst, mehrere Filme kamen schon heraus, und in diesem Jahr wird ein neuer Film über ihr Leben mit der hervorragenden Schauspielerin Meryl Streep veröffentlicht.

Aber viel spannender ist die Dokumentation, “The Florence Foster Jenkins story“, das gerade in der Crowdfunding Phase ist. Und ich möchte Dich ermutigen, dieses Projekt finanziell zu unterstützen.

Was fasziniert so viele Menschen an ihr?

Bevor ich aber ihre Geschichte erzähle, möchte ich Dir eine Aufnahme aus dem Jahr 1943 zeigen.

Denn Florence Foster Jenkins war nicht die beste Sängerin ihrer Zeit.

Viele böse Zungen behaupten, sie war die schlechteste Sängerin ihrer Zeit?

Hier kannst Du Dir einen Eindruck von ihrem Gesang verschaffen.

Und dies ist ein Vergleich, wie die Sopranistin Patricia Petibon die Arie singt.

Warum finde ich ihre Geschichte gleichzeitig so umwerfend beeindruckend und so überaus peinlich?

  • Weil sie ihre Leidenschaft lebt.
  • Weil sie die Lieder sang, die sie singen wollte. Mit allen Konsequenzen.
  • Wusste sie, dass die Leute sie so toll fanden, weil sie sie zum Lachen brachte und ihnen einen Urlaub vom harten Alltag brachte?
  • Oder war sie fast geisteskrank narzisstisch, dass sie wirklich glaubte, die beste Sängerin ihrer Zeit zu sein?
  • Hörte sie sich selber in ihrem Kopf ganz anders und nahm deshalb die Kritik anderer nicht an?
  • War sie einfach nur eine reiche Lady mit viel Einfluss, die keiner verärgern wollte?

 

Florence Foster Jenkins: War sie verrückt oder genial?

Narcissa Florence Foster Jenkins wurde in Wilkes Barre, in Pennsylvania 1868 in eine Anwalts- oder Bankiersfamilie geboren. Seit sie klein war, spielte sie Klavier und gab schon als Kind Konzerte überall im Statt Pensylvania. Nach dem Highschool Abschluss 1885 wollte sie nach Europa gehen, um Gesang zu studieren, der Vater war dagegen. Also heiratete sie kurzentschlossen Dr. Thornton Jenkins und zog mit ihm nach Philadelphia. Dort unterrichte sie Klavier. 1902 wurde das Paar geschieden. Ab 1908 bis zu ihrem Tod lebte sie mit dem Schauspieler St. Clair Bayfield zusammen, der gute Beziehungen in der New Yorker Theater Szene hatte und auch ihr Manager wurde.

1909 starb erst ihr Vater unter hinterliess ihr Geld, so dass sie anfing, Gesangsstunden zu nehmen, und fing trotz Kritik anderer an, ab 1912 jährliche Vorstellungen im Ritz- Carlton Hotel in New York zu geben.

Mit dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1928 wurde Florence sehr vermögend. Dann fing sie an ausgedehntere Konzerte zu geben und aktiv das kulturelle Leben in New York mitzugestalten. Da war sie 40 Jahre alt.

Mit 40 Jahren fing erst ihre Karriere an

Sie performte überzeugt von sich selber die schwersten Arien und Lieder der Welt, und befreite sich, um den Schwierigkeitsgrad bewältigen können, von Tempo und Rhythmus und häufig auch von der Melodie. Und zur Unterhaltung ihres Publikums trug sie ein selber entworfenes Kostüm aus Tülle und Taft, mit riesigen goldenen Flügeln, weil sie sich als Engel der Inspiration fühlte.

Angeblich zweifelte sie niemals an ihren Fähigkeiten und der Enthusiasmus ihrer Zuhörer und Unterstützung von Professionellen Musikern verstärkte sie dabei.

Sie nahm von ihrem Geld 3 Alben auf, die sie eigentlich an ihre Freunde verkaufen wollte, aber bald ein begehrtes Sammlerstück wurde.

Denn es wurde ein absolutes Muss für alle, sie beim Singen zu sehen. Sie hatte eine gute Zeit, das Publikum hatte eine gute Zeit, so dass sie darin bestärkt wurde ein Konzert in der berühmten Carnegie Hall zu geben.

Innerhalb von 2 Stunden war es ausverkauft und die Zuhörer gerne 20 $ für ein 2$ Ticket bezahlten, nur um dabei zu sein.

Sie ging in ihrem Engelskostüm auf die Bühne, warf Rosen in die Menge und die Menge tobte und dies sie nicht gehen.

1 Monat später starb sie im Alter von 76 Jahren in ihrem Luxusapartment in einem Hotel. Manche sagen, dass die Kritiken in den Zeitungen ihr das Herz gebrochen hätten. Denn im Gegensatz zu der Menge der Zuhörer, die laut lachend auf dem Boden lagen, schrieben diese wie New York Sun: “Mrs. Florence Foster Jenkins, eine verwitwete Lady aus unserer Stadt, hat eine großartige Stimme. Als Fakt kann sie alles singen, ausser Noten.”

Oder die New York Post schrieb: ” Lady Florence oder Madam Jenkins wie sie genannt werden möchte, wenn man von ihr als eine Künstlerin spricht, die in den merkwürdigsten Massenwitze eintaucht, den New York jemals gesehen hat.”

Und dennoch wird auf der Homepage von der Carnegie Hall geschrieben, dass es die meisten Anfragen im Archiv nach den Aufzeichnungen der schillernden Diva gibt, die jemals in der Carnegie Hall aufgetreten ist: Florence Foster Jenkins.

Die Opernsängerin Joyce DiDonato in dem Eingangs erwähnten Crowdfunding Projekt Florence porträtieren wird, antwortet auf die Frage, was sie Florence heute sagen würde:

“You go girl”!

Es ist befreiend.

Die Gesangslehrerin in mir sagt folgendes zu Florence Gesang:

  • Die Stücke waren zu schwer. Sie hätte einfachere Stücke wählen sollen
  • Ihre Stimme war mit schon zu alt, so dass es physiologisch nicht mehr möglich war, die Musik zu singen.
  • Sie hätte auf Jazz oder Popularmusik umsatteln sollen um die Stücke transponieren zu können und ein Mikrophon benutzen zu können.
  • Oder im Chor singen sollen

Die Künstlerin in mir sagt:

  • Aufnahmen geben immer nur einen kleinen Teil wieder. Deshalb werden auch alle Live Alben, die großartig im live waren, musikalisch bearbeitet. Wahrscheinlich war sie eine großartige Performer, was heute aber nicht mehr rekonstruieren können.
  • Es ist toll, dass sie ihren Weg gegangen ist und ihre Leidenschaft ausgelebt hat.

Warum sollten wir alle ein bisschen wie Florence Foster Jenkins sein?

  1. Sie hatte eine Leidenschaft seit ihrer Teenagerzeit und konnte ihn erst in ihren spät Dreißigern, Anfang Vierzigern realisieren. Wir sind nie zu alt damit anzufangen und zu singen.
  2. Sie hatte keine Angst sich zum Narren zu machen. Sie sagte sich, alles, was ich mache, von Kostüm bis zu der Auswahl der Lieder: Ich mache es groß! Wer mich mag, mag mich, wer nicht der nicht! Wow! Das beeindruckt mich und beängstigt mich gleichermassen.
  3. Sie ging den ihren Weg bis zum Ende und beschenkte ihr Publikum. (Es wird gesagt, dass nach dem Konzert in der Carnegie Hall, manche Zuhörer noch tagelang Muskelkater vom Lachen hatten.)
  4. Sie hatte vielseitige Beziehungen zu ihren Musikern, die sie bestimmt auch gut bezahlten, aber ich kann mir vorstellen, dass sie sie auch mochten. Ansonsten hätten sie nicht jahrelang mit ihr zusammen gearbeitet.
  5. In unserer täglichen Sprache setzen wir häufig Künstler und dessen Musik gleich. “Ich mag nicht David Bowie” anstatt “ich mag nicht David Bowies Musik”. Oder “ich kann Helene Fischer nicht ausstehen” anstatt “Ich mag Helenes’ Fischer Musik nicht”. Man kann über Florence Foster Jenkins Musik sagen, was man will, und objektiv gesehen, konnte sie nicht ihr Repertoire singen, aber sie als Person muss wahnsinnig faszinierend gewesen sein.

Zum Schluss will ich noch einmal Florence Foster Jenkins zu “Wort” kommen lassen.


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